Zeitzeugenbesuch an der Solgrabenschule

„Wer dich verließ, kann erst ermessen wie wundervoll die Freiheit ist.“ So heißt es in dem 1938 geschaffenen Buchenwaldlied, das zu Beginn der Zeitzeugenbefragung mit Herrn Mieczyslaw Grochowski spielt, bevor Mietek, wie er genannt werden möchte, aus seinem Leben erzählt. Es stellt einmal mehr heraus, wie schwer es ist Freiheit zu verstehen, wenn man, wie die Schülerinnen der SolgrabenschülerInnen, selbst ein freier Mensch ist. Mietek musste schon früh erleben, eben nicht frei zu sein.

„Ich war noch so klein als ich mit meiner Mutter ins KZ kam“. Unschuldig und willkürlich inhaftiert. Heute ist Mietek 84 Jahre alt und erzählt den SchülerInnen der Solgrabenschule über seine frühe Kindheit in dem Außenlager des KZ Stutthof. Er kann sich noch genau an die menschenunwürdigen Zustände, das menschliche Leid, den Entzug der Grundrechte und Unrecht erinnern, welches er schon sehr früh in seinem Leben mit ansehen musste. Als Vierjähriger inhaftiert, kam er mit dem Unrechtssregime der Nazis in Berührung, das „ihr euch alle nicht vorstellen könnt“, wie er den SchülerInnen sagt.

Mitgebracht hatte Mietek auch seine geliebte Trompete, auf der er ein Lied spielt. Als Berufsmusiker spielte er lange Zeit Trompete. Gerührt lauschten die Zuhörer seiner traurigen Eigenkomposition, mit der er seine Erinnerung aus dem KZ in eine Melodie verpackte.
Sein Leben nach der Befreiung verbrachte er zunächst bei seiner Tante. Sie war eine gute Frau, wie er berichtete. Ihre Töchter hingegen ekelten sich vor ihm. Er war schließlich verlaust und von Ungeziefer zerbissen, wie Mietek berichtete. Den Zuhörern wird klar; auch nach der Befreiuung ist für Mietek nichts mehr wie es einst war.
Fabian Bopf und Maya Krol waren die Moderatoren der Veranstaltungen und stellten Mietek noch weitere Fragen. Mieteks Botschaft nach der Fragerunde ist es den Hass zu vergessen und Raum für Vergebung zu schaffen. Das habe er von seiner Mutter gelernt.

Anwesend waren auch Herr Klaus Dietz, Stadtrat von Bad Nauheim, Herr Carl Cellarius (Kreisausschuss Wetteraukreis), Herr Manfred de Vries und Herr Viatcheslav Ifraimov (Vorsitzender und Stellvertreter der jüdischen Gemeinde), Herr Neidhart Dahlen (Auschwitz-Komitee-in-der-Bundesrepublik-Deutschland e.V.) sowie Herr Dr. Peter Noss von der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit. Herr de Vries stellte noch einmal die Wichtigkeit und Bedeutung von Zeitzeugen sowie den Besuch von Gedenkstätten heraus, die an die grauenvollen Taten der Nazis erinnern, um auch junge Menschen dazu zu ermutigen hinzuschauen, wenn andere wegsehen.

Die anwesenden SchülerInnen werden bereits im März an einer Studienfahrt zum Thema „Verfolgung und Holocaust“ teilnehmen. Gemeinsam mit ihrer Lehrerin Kristin Seeger werden sie nach Krakau reisen und die nahegelegene Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau besuchen und das jüdische Leben in Krakau erkunden.

Mit dem Lied „Sound of Silence“ bringt Mietek seine Geschichte zu Ende und berührt die Zuhörer einmal mehr mit seiner Trompetenkunst. Die SolgrabenschülerInnen sind dankbar, Zeugen der Zeit geworden zu sein. Ein gelungener Anfang zur Reise in die Vergangenheit und gleichzeitig in die Zukunft der SchülerInnen mit dem kommenden Besuch der Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau; denn durch solche Erzählungen, erfahren sie etwas über die Relevanz von Geschichte und den Stellenwert von Mieteks Biografien für ihr eigenes Leben.

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